Mein veganer Selbstversuch
Mein Name ist Julian und ich liebe Fleisch. Ich liebe es gegrillt, gebraten oder auch geschmort. Aber ich bin neugierig und möchte testen, wie leicht es mir fällt, mich eine Woche lang vegan zu ernähren.
Die Ernährung ohne tierische Produkte liegt voll im Trend. Rund 900.000 Deutsche verzichten auf Fleisch, Eier, Butter, Milch, Käse & Co.
Zur Vorbereitung auf meine vegane Woche recherchiere ich im Internet, was in den kommenden Tagen auf meinem Teller landen wird. Schnell finde ich Hilfestellungen, um mir einen Wochenspeiseplan mit vier veganen Mahlzeiten pro Tag zusammenzustellen. Voll motiviert drucke ich mir für die Woche einen achtseitigen Einkaufszettel mit Lebensmitteln aus, die ich teilweise kaum aussprechen kann. Im Biosupermarkt bin ich schnell überfordert, weil ich nicht alle Produkte für meinen Speiseplan bekomme. Also improvisiere ich.
Die großen Supermärkte sind bestens auf vegane Ernährung vorbereitet und bieten meterlange Kühlfächer mit allerlei Suppen, Salaten, Brotaufstrichen und sogar Grillwürstchen. Vegane Lyoner, Margarine, Süßkartoffelsuppe, Lupinen-Pudding und Falafel wandern in meinem Einkaufskorb. Convenience sei Dank kann meine vegane Woche
beginnen.
Meine ersten Erfahrungen mit den Produkten sind durchweg positiv. Die vegane Wurst schmeckt, die Suppe ist lecker, die Falafel sind ein Gaumenschmaus und der Pudding ist weniger süß, aber braucht den Vergleich zu seinem milchhaltigem Pendant nicht zu scheuen. Ein Haar in der veganen Suppe finde ich aber dennoch. Für einen verwöhnten
Latte-Macchiato-, Cappuccino-Trinker ist der Kaffee mit Sojamilch gewöhnungsbedürftig.
Für die Zubereitung von vier veganen Mahlzeiten fehlt mir aber einfach die Zeit. Deshalb suche ich mir aus der langen Liste Gerichte heraus, die mich besonders ansprechen. Mein erstes Kochprojekt wird der „Falscheste Hase ever“. Also hopple ich wie Meister Lampe höchstpersönlich durch die Küche, koche Linsen, reibe Möhren, hacke Nüsse und schiebe alles in den Ofen. Nach 90 Minuten öffne ich mit knurrendem Magen die Backofenklappe und das Ergebnis lacht mich an. Auf dem Backblech liegt meine erste vegane Schöpfung, die optisch einem „normalem“ Hackbraten verblüffend ähnlich ist. Geschmacklich kommt der „Falscheste Hase“ aber leider nicht an die Fleischvariante heran, dafür ist er gesünder.
Eine vollwertige Ernährung ohne Fleisch oder ganz ohne tierische Produkte birgt angesichts unserer heutigen Lebensbedingungen ein großes Potenzial, um Zivilisationskrankheiten vorzubeugen. So sind Veganer im Durchschnitt schlanker und haben wesentlich seltener Übergewicht als die Allgemeinbevölkerung. Menschen mit rein pflanzlichem Speiseplan haben ein geringes Risiko für Typ-2-Diabetes und andere auch durch Ernährung bedingte Krankheiten.
Jetzt habe ich Blut geleckt. An den folgenden Tagen koche und backe ich ebenfalls fleißig. Paprikaschoten mit Grünkern, Apfel-Sellerie-Suppe, Apfelkuchen, ganz viel Obst und Gemüse wandern auf meinen Teller. Mit den Ergebnissen bin ich durchweg zufrieden, vor allem Humus als Dip finde ich äußert schmackhaft.
Am vorletzten Tag meines Experiments erwartet mich dann die große Herausforderung: eine Grilleinladung bei Freunden. Während selbst marinierte Tandoori-Hähnchenspieße und saftige Rostbratwürste von der Flamme geküsst werden, brutzelt mein Seitan- Steak mittendrin. Auch Kräuterbutter und Aioli zum Dippen des selbst gebackenen Brots sind tabu. Aber ich bleibe trotz erheblichen Speichelflusses beim Betrachten des Grillguts standhaft.
In meiner veganen Woche habe ich gesund und gut gegessen. Die Küche hat viel zu bieten und geht weit über reine Körnerfresserei hinaus. Trotzdem bin ich das Gefühl des Verzichts nicht losgeworden. Vegane Ernährung ist eine Lebenseinstellung und die Entscheidung dafür konsequent. Dieser dogmatische Ansatz des Veganismus ist nicht meiner. Ich möchte essen, worauf ich Lust habe. Ich werde auch in Zukunft vegane Rezepte in meinen Speiseplan aufnehmen. Habe ich mich durch meinen Versuch selbst gegeißelt gefühlt? Nein. Habe ich etwas vermisst? Oh ja, denn mein Name ist Julian und ich liebe Fleisch.